Wirkungen von psychotropen Substanzen

Was bedeutet „psychotrop“?

Psychotrop bedeutet „einflussnehmend auf die Psyche“

Der Begriff der psychotropen Substanzen ist eine Sammelbezeichnung für alle Medikamente, Drogen und andere in Nahrungsmitteln enthaltenen Substanzen, die durch zentralnervöse Wirkungsmechanismen Einfluss auf die Psyche nehmen.

Welche Wirkweisen gibt es?

Nach Köhler (2010) gibt es bei psychotropen Substanzen folgende Effekte:

  • Euphorisierung
  • Sedierung und Anxiolyse
  • Antriebssteigerung
  • Halluzinogene und psychedelische Effekte
  • Körperliche Effekte

Euphorisierung

Die Euphorisierung ist für die Ausbildung eines Abhängigkeitssyndroms wesentlich verantwortlich. Die Euphorisierung meint die Erzeugung eines Zustands von Wohlbefinden, ein explosionartig einsetzendes Glücksgefühl.

Die biologische Grundlage: Die psychotrope Substanz lässt Dopamin ausschütten, das geht über die dopaminergen Bahnen vom ventralen Mittelhirn bis zum Nucleus accumbens im Endhirn. Das ist z. B. so bei Alkohol, Amphetaminen oder Kokain. Der Nucleus accumbens ist unser Belohnungssystem und spielt auch bei natürlich auftretenden angenehmen Gefühlen eine Rolle, z. B. sexuelle Aktivität oder Nahrungsaufnahme.

Andere psychotrope Substanzen binden an anderen Rezeptoren, z. B. exogene Opioide an Opiatrezeptoren und Nikotin an Acetylcholinbindungsstellen. Auch hier geschieht eine Euphorisierung. Auch bei Alkohol werden indirekt endogene Opiode freigesetzt und so die Euphorisierung verstärkt.

Anxiolyse und Sedierung

Die Anxiolyse bedeutet eine beruhigende, spannungslösende und angstabbauende Wirkung, damit verbunden ist eine mögliche Sedierung, also eine Müdigkeit und Leistungseinschränkung.

Biologische Grundlage: Die psychotrope Substanz verändert den GABA-Benzodiazepin-Rezeptorkomplex oder blockiert den NMDA-Rezeptors für den erregenden Transmitter Glutamat (v.a. bei alkoholbedingter Anxiolyse und Sedierung).

Antriebssteigerung

Hiermit wird ein Zugewinn an Energie und Aktivität, sowie Leistung und anders gesagt die Abnahme von Müdigkeit bezeichnet. Typische Substanzen mit diesem Effekt sind Koffein, Nikotin, Amphetamine und Kokain.

Biologische Grundlage: Die psychotrope Substanze verstärkt die Übertragung an noradrenergen (evtl dopaminergen) Synapsen.

Halluzinogene und psychedelische Effekte

Halluzinogen und psychedelisch bezeichnet ausgelöste Halluzinationen und subjektiv die Sinne erweiternde Wahrnehmung. Sie bewirken eine lebhafte Phantasien, akzentuierte Wahrnehmung, verändertes Raum- und Zeitgefühl, ungewohnte Körperempfindungen. Psychedelika bedeutet wörtlich „die Seele offenbarende Substanzen“. Die Halluzinationen sind oft beeinflussbar, nicht korrigierbare Halluzinationen sind atypisch. Typische halluzinogene psychotrope Substanzen sind LSD, Mescalin und Anticholinergika, zudem Cannabis, Opioide und bestimmte Amphetaminderivate (MDMA).

Biologische Grundlage: Vermutlich ein Serotoninagonismus.

Körperliche Effekte

Als körperliche Effekte werden insbesondere die Wirkung auf das vegetative Nervensystem bezeichnet, z. B. für Körperfunktionen wie das Atmen oder der Herzschlag.

Biologische Grundlage: Nikotin beeinflusst die Ganglien, Opioide an Rezeptoren im Atem- und Hustenzentrum und führen so zu den körperlichen Begleiterscheinungen (die dann auch tödlich sein können). Bei Kokain und Amphetaminen kommt es oft zur lebensbedrohlichen kardiovaskulären Überstimulierung (Herzinfarkt, Hirnblutung, Rhythmusstörungen); bei Opioiden zu Atemlähmung („goldener Schuss“); es gibt auch neurologische Symptome wie alkoholbedingte Gang- und Sprachstörung oder zentralnervöse Effekte von Ecstasy. Die Mechanismen sind hier die Wirkung auf GABA- & Glutamatrezeptoren und die direkte Neuronen-Schädigung. Alkohol und Benzodiazepine wirken wenig auf das vegetative Nervensystem.

Die Aktivierung des sympathischen Nervensystems führt zu einer Erhöhungen von Pulsfrequenz und Blutdruck und erweitert die Pupillen. Diesen Effekt haben v.a. Amphetamine, Kokain, Ecstasy und Anticholinergika, sowie Cannabis. Bei Opiadkonsum ergeben sich kleine Pupillen; bei Nikotin heben sich die sympathischen Effekte auf wegen der gleichzeitigen Beeinflussung sympathischer und parasympathischer Ganglien.

Schädliche Effekte in den Störungskategorien der ICD-10

Schon während des Konsums bis spätestens zwei Wochen danach kann eine psychotische Störung (F1x.5) beginnen, die mindestens 48 Stunden anhalten (und spätestens nach 6 Monaten danach abklingen). Sie sind noch genauer unterteilbar in:

  • F1x.50 schizophrenieform
  • F1x.51 vorwiegend wahnhaft
  • F1x.52 vorwiegend halluzinatorisch
  • F1x.53 vorwiegend polymorph
  • F1x.54 vorwiegend depressiv
  • F1x.55 vorwiegend manisch
  • F1x.56 gemischt

Ansonsten ist es ein Restzustand bzw. eine verzögert auftretende psychotische Störung (F1x.7).

Eine andere Störung ist das Amnestische Syndrom (F1x.6)

Effekte der einzelnen psychotropen Substanzen

F10 Alkohol

Alkohol wirkt zweiphasig, anfänglich enthemmend / lockernd, später beruhigend / sedierend.

Kurzfristige Folgen des Alkohols

  • Wirkt zunächst enthemmend und anregend,
  • bei höheren Dosen aggressives Verhalten und Streitlust,
  • bis zur Bewusstseinstrübung mit Somnolenz und Koma,
  • Erinnerungslücken können aus jedem der Stadien verbleiben.

Langfristigen Folgen des Alkohols

Leber: Fettleber, Hepatitis, Leberzirrhose, dadurch Blutungsneigung, hormonelle Störungen (Impotenz, Gynäkomastie, Menstruationsstörungen)

Bauchspeicheldrüse: Pankreatitis bis zur Autolyse des Organs

Magen: Gastritis, Magengeschwüre

Herz: Schädigungen Stoffwechselstörungen, Hypertonie.

Gehirn: Neurologische Schäden treten nach Jahren chronischen Alkoholkonsums auf:

  • Polyneuropathien: Schädigungen peripherer Nerven (axonale Degeneration) mit zahlreichen Ausfallerscheinungen und Schmerzen.
  • Wernicke-Enzephalopathie: aufgrund einer Mangelernährung kommt es infolge eines Vitamin- B1 Mangels (Thiamin) zu einem schwammartigen Zerfall des Hirngewebes und akut zur Kardinalsymptomatik aus Augenmuskelparesen (Paresen: Erschlaffen, Lähmen), Nystagmus (Augenzittern), Ataxie (Störungen der Bewegungskoordination) und psychische Störungen (Erregung, Gedächtnisstörungen, Halluzinationen). Oft geht eine Wernicke- Enzephalopathie in eine Korsakow-Psychose, deshalb wird oft von Wernicke-Korsakow-Syndrom gesprochen.
  • Alkoholbedingte Korsakow-Psychose: infolge des Vitamin-B1-Mangels kommt es zu falscher Orientierung (zur Person und zur Örtlichkeit), Konfabulationen (füllen von Erinnerungslücken mit Fantasien) und Störungen der Lern- bzw. Merkfähigkeit (v. a. auf kurz zurückliegende Sachverhalte in der Gegenwart); es entwickelt sich langsam bei chronischem Alkoholismus oder tritt gemeinsam mit Wernicke-Enzephalopathie auf und überdauert diese.
  • Schädigung des Nervus Opticus mit einem Verfall der Sehschärfe.
  • Frontal betonte Hirnrindenatrophie mit einer Hirnvolumenminderung (Demenz und Eifersuchtswahn bedingend).
  • Kleinhirnatrophie mit Ataxie: breitbeiniger, torkelnder Gang, unsicheres Stehen, Schaukeln. 

Akute Intoxikation: Enthemmung, Streitlust, Aggressivität, Affektlabilität, Aufmerksamkeitsstörung, Einschränkung der Urteilsfähigkeit, Beeinträchtigte Leistungsfähigkeit und mindestens 1 Anzeichen: Gangunsicherheit, Standunsicherheit, Verwaschene Sprache, Nystagmus (= unkontrollierbare, rhythmische Bewegungen eines Organs, üblicherweise der Augen), Bewusstseinsminderung, Gesichtsröte, Konjunktivale Injektion

Eine schwere Alkoholintoxikation kann mit Hypotonie (z. B. niedriger Blutdruck, verminderter Muskeltonus), Hypothermie (Unterkühlung) und einem abgeschwächten Würgreflex einhergehen.

Entzugssymptome

Einfacher Entzug: Schlafstörungen, Tremor / Zittern (v.a. Hände), Schwitzen, Tachykardie, Angst, Unruhe, allgemeines Krankheitsgefühl, vorübergehende Halluzinationen

Delirium tremens ist eine bei unbeabsichtigtem Entzug auftretende Alkoholpsychose, es kann aber auch unter kontinuierlicher Alkoholgabe auftreten; oft wird es vorausgehend ein Prädelir mit u.a. Symptomen des einfachen Entzugs geschildert.

  • grobes Zittern, unverständliches Reden, Störungen der Vigilanz, Desorientiertheit, psychomotorische Unruhe (Beschäftigungsunruhe), Halluzinationen (meist visuell, Tiere, bewegte Objekte), illusionäre Verkennung, starke Suggestibilität, begleitet von starker vegetativer Symptomatik und Krampfanfällen; es ist ein lebensbedrohlicher Zustand!!!

F11 Opioide (Opium, Heroin, Codein, Methadon, zentral wirksame Analgetika)

Euphorisierung, Sedierung: Schmerzstillung, Entrücktsein von der Welt mit Schläfrigkeit und Bradykardie

Akute Intoxikation: Pupillenverendung, Koma, Atemdepression.

Entzugserscheinungen: Drastisch, doch vergleichsweise von kurzer Dauer; Unruhe, Schwitzen, Zittern, Leibesschmerzen (Bauchkrämpfe, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall), Muskelschmerzen, Angstzustände, Schlaflosigkeit, Tachykardie, Blutdruckanstieg, gesteigerte Atemfrequenz, „grippeähnliche Symptome“.

F12 Cannabinoide (Haschisch, Marihuana)

Euphorisierung, Sedierung, halluzinogene Effekte: Entspannung und Beruhigung bis zur Apathie, Euphorie, veränderte Sinneswahrnehmung, rote Augen, Mundtrockenheit, vermehrter Appetit, Denkstörungen, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Veränderung des Raum-Zeit-Erlebens, beeinträchtigtes Beurteilungsvermögen.

Langfristige Folgen: Amotivationales Syndrom (Lethargie, Passivität), Störungen der Merkfähigkeit (noch Wochen später), Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Arbeit, eingeschränkte Verkehrstüchtigkeit, Erhöhung der Anfälligkeit für andere psychische Störungen wie Ängste, Depressionen, auch Psychosen, Horrortrips und Flashbacks möglich.

Akute Intoxikation: Rausch, Angst- / Horrortrip, Trance

Entzugserscheinung: eher keine

F13 Sedativa oder Hypnotika (Benzodiazepine, Barbiturate)

Sedierung: Zentral dämpfend, schlaffördernd, entängstigend, Verlangsamung der Körperfunktionen.

Langfristige Folgen: Verlangsamung, Apathie, Stimmungsschwankungen, Gangunsicherheit, verwaschene Sprache.

Entzugserscheinung: Heftiger körperlicher Entzug, der bis zum Tod führen kann, Unruhe, Zittern, Schlaflosigkeit, erhöhte zerebrale Krampfneigung, Kopf- und Gliederschmerzen, Muskelkrämpfe, eventuell Entzugsdelir.

F14 Kokain (Kokain, Crack)

Euphorisierung, Antriebssteigerung, Sympathikusaktivierung: Euphorie, Steigerung der Leistungsfähigkeit, selbstbewusstseinssteigernde Wirkung, reduziertes Schlafbedürfnis und Hungergefühl, gesteigertes Kontaktbedürfnis, gesteigerte sexuelle Appetenz, körperlich sympathomimetische Wirkungen.

Bei chronischem Konsum: ausgeprägte Verstimmungen, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, Impotenz, Reizbarkeit und Aggressivität, Schädigung der Nasenschleimhäute, Gewichtsverlust, lebendbedrohliche Herz-Kreislauf-komplikationen, Kokainpsychose: Drogenpsychose, welche v.a. mit Dermatozoenwahn („Haut-Tier-Wahn“) einhergeht und bestehen bleiben kann.

Entzugserscheinung: Depressive Verstimmungen, Ängste, Schlafstörungen, körperliche Unruhe oder Verlangsamung, „Katerstimmung“.

F15 andere Stimulanzien, einschließlich Koffein (Amphetamin – „Speed“, Ecstasy, MDMA)

Euphorisierung, Antriebssteigerung, Sympathikusaktivierung: Appetitzüglung, leistungssteigernde Wirkung, Antriebssteigerung, Wachheit, Stimmungsverbesserung, gesteigertes Selbstbewusstsein, gesteigerter Rededrang.

Langfristige Folgen: Ähnliche Spätfolgen wie beim Kokain, können ebenfalls paranoid- halluzinatorische Psychosen auslösen.

Entzugserscheinungen: Ähnliche Entzugserscheinungen wie beim Kokain.

F16 Halluzinogene (LSD, Meskalin, Psilocybin, Phenylciclidin: PCP, Angel`s Dust; Ketamin)

Euphorisierung, halluzinogene Effekte, Sympathikusaktivierung: Psychotomimetisch, psychedelischer (Aufhebung der Grenzen zwischen Ich und Außenwelt; Bewusstseinserweiterung) Rausch: optische Pseudohalluzinationen, Auflösung des Raum-Zeit-Gefühls,  intensivierte Gefühls-, Farb- und Geräuschwahrnehmung, häufig: Horrortrips mit Angst, Verwirrung und paranoidem Denken.

Langfristige Folgen: Möglichkeit der Auslösung von Psychosen, Beeinträchtigung des Denkens und Gedächtnisses; Flashbacks: widerauftretende Wahrnehmungsveränderungen ohne erneuten Konsum.

Entzugserscheinungen: eher keine.

F17 Tabak

Euphorisierung, Sedierung,  Antriebssteigerung, Sympathikusaktivierung: Gesteigerte Aufmerksamkeit, Unterstützung der Gedächtnisfunktion, Zunahme der Stresstoleranz, aber auch beruhigende Wirkung- je nach Setting.

Langfristige Folgen: V.a. körperlicher Natur: Erkrankungen der Atemwege (Bronchitis, Karzinome der Lunge) und des Herz-Kreislauf-Systems, hohes Suchtpotenzial

Entzugserscheinungen: Depressive Stimmung, gesteigerter Appetit, Gewichtszunahme, Angst, Unruhe.

F18 flüchtige Lösungsmittel (Klebstoff, Lösungsmittel, Lacke)

Euphorisierung: Sofort einsetzend, doch nur kurz anhaltend: Euphorie, Entspannung, eventuell Halluzinationen, Desorientiertheit reizbaraggressives Verhalten, Übelkeit, Erbrechen.

Langfristige Folgen: Schulische und berufliche Schwierigkeiten, Schädigungen des Nervensystems, Leben- und Nierenschäden, neurologische Störungen.

Entzugserscheinungen: eher keine.

F19 multiplen Substanzmissbrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen

Bei der Polytoxikomanie (multiplen Substanzgebrauch) werden die verschiedenen Substanzen oft wahllos kombiniert. Häufig findet sich ein Konsummuster der Kombination von Uppers (stimulierende Substanzen) und Downers (dämpfende Substanzen).

Hinterlasse einen Kommentar

Webseite erstellt mit WordPress.com.

Nach oben ↑

Erstelle eine Website wie diese mit WordPress.com
Jetzt starten